Finanzbereich in Krisenzeiten

CFO auf Bewährungsprobe: So wird der Finanzbereich zum strategischen Partner in Krisenzeiten

Wie kann man sich in unsicheren Zeiten absichern? Als CFO geraten Sie in eine ganz neue Rolle, wenn die Welt verrückt spielt. Plötzlich müssen Sie das Schiff, das sich Unternehmen nennt, durch Stürme wie Inflation und Ukrainekrieg, Lieferengpässe und allgemeine Resignation lenken. Warum ausgerechnet die Finanzabteilung in solchen Krisenzeiten ein starker Partner ist? Wir haben mit Michael Kuntz (CFO bei Pitch) gesprochen, wie Unternehmen durch die derzeitige Krise navigieren und welche Chancen diese Herausforderungen für die Finanzabteilung bieten.

Der Finanzbereich in Krisenzeiten: Herausforderungen und Chancen

Momentan werden der Markt und insbesondere auch Tech-Firmen von großen Unsicherheiten beherrscht. Wo sollte man in solchen Zeiten den Fokus legen und was klammert man derzeit vielleicht eher aus?

Laut Michael Kuntz hängt das natürlich erst einmal davon ab, in welcher Lage oder Situation sich das Unternehmen befindet. Aktuell ist die Situation ein Stück weit diffus, es gibt starke wirtschaftliche Unsicherheiten, es gibt geopolitische Risiken, es gibt die Inflation und Preissteigerung. Hinzu kommt die Notenbank, die Zinsen anhebt – und das hat dementsprechend Auswirkungen auf die Bewertung von Unternehmen, was sich bis runter auf die Start-ups durchschlägt.

Als Unternehmen ist es daher wichtig, sich erst einmal zu orientieren:

  • Wo stehe ich eigentlich?
  • Ist mein Business-Modell und das, was ich mit meinem Produkt und Service versuche zu lösen, von der aktuellen Situation betroffen?
  • Wenn ja, inwiefern: also gibt es irgendwelche Auswirkungen auf meinen Umsatz, Topline, Bestandskunden?

Ganz wichtig beim Thema Start-ups ist auch die Frage:

  • Wie ist die Finanzierungssituation?
  • Wie viel Cash habe ich aktuell noch, wie sieht mein Runway aus und bin ich aufgrund dieser Aspekte aktuell gefährdet?

Das entscheidet, ob man an seinem aktuellen Businessplan nochmal arbeiten muss, um von dieser Situation – von der aktuell leider völlig unklar ist, wie lange sie noch dauern wird – wieder in sauberes Fahrwasser zu gehen.

„Zum einen sollte man sich also orientieren, inwiefern das eigene Business-Modell von der aktuellen Situation betroffen ist. Und, ganz high-level draufgeschaut, wie sieht die Finanzierungssituation aus? Bin ich aktuell in need, weitere Finanzierungen zu bekommen oder habe ich eine entsprechende Runway von beispielsweise mindestens 24 Monaten um bestmöglich durch die Situation zu kommen?“ – Michael Kuntz

In solchen Zeiten sollte man vermutlich vor allem das große Ganze, die Topline und die wichtigsten KPIs im Blick haben. Welche Bereiche sollte man sich genauer anschauen, um sich ein adäquates Bild von der Lage zu machen?

Grundsätzlich spielt natürlich der Runway eine große Rolle. Man sollte zu jeder Zeit wissen, wie viel Geld man auf der Bank hat und was der durchschnittliche monatliche Burn ist und für wie viele Monate das Geld entsprechend noch reicht. Also: Wie viel gebe ich netto abzüglich von Einnahmen aus den Umsätzen aus?

Zwei weitere Bereiche, die man sich detailliert anschauen sollte: Wie sehen mein Umsatz und mein Cash-in aus und inwiefern sind dort Anpassungen möglich? Eventuell lässt sich die Situation sogar nutzen, um schneller zu wachsen. Gleichzeitig sollte man Risiken auf die Topline nicht unterschätzen. Gibt es Themen wie schrumpfende Nachfrage, die den Top-of-Funnel beeinflussen? Haben potenzielle Kund:innen weniger Interesse an meinem Produkt oder Service? Viele passen ihr Kaufverhalten in diesen Zeiten sicherlich an und warten erst einmal die kommenden Entwicklungen ab. Und auch Bestandskund:innen und die Churn Rate sollte man immer im Blick haben. Michael Kuntz empfiehlt, genau zu tracken, wie Kund:innen aktuell das Produkt nutzen und ob sie zufrieden sind – mittels eines Net Promoter Scores.

„Auch so etwas wie die Zahlungsmoral ist in der Regel ein Leading Indicator, ob der Kunde aktuell Probleme mit seinem eigenen Geschäftsmodell hat und gegebenenfalls mittelfristig die Vertragsbeziehung mit dem jeweiligen Unternehmen beenden würde.“ – Michael Kuntz

Für die Topline bedeutet das: Man sollte einen klaren Blick auf die Treiber im Business-Modell haben, also Top-of-Funnel, Conversion Rate, Vertriebszyklen. Ergänzend einzubeziehen sind die Indikatoren bezüglich Churn und Bestandskundengeschäft – gibt es dort gewisse Risiken?

Sobald man diesbezüglich ein gewisses Verständnis gewonnen hat, kann man sich auch die Bottomline, also die Kosten anschauen:

  • Was war der ursprüngliche Plan?
  • Inwiefern kann man bestehendes Budget shiften oder anderweitig fokussieren?
  • Inwiefern gibt es die Möglichkeit, dort gewisse Budgets freizumachen und weiter in Wachstum zu investieren?
  • Können andere Bereiche schrumpfen?
  • Muss das gesamte Budget reduziert werden, um eine stärkere Runway-Verlängerung zu ermöglichen?

Dabei sollte man klar abwägen, ob kurzfristig eine Budget- und Kostenreduktion möglich ist und wo diese vielleicht gar nicht sinnvoll wäre, weil sie das Wachstum weiter verlangsamen würde. Auch der Einfluss einer solchen Entscheidung auf die Produktentwicklung ist wichtig zu beurteilen, denn womöglich wird hier gerade Budget benötigt, um einen Product-Market-Fit zu erlangen oder in einen neuen Markt einzudringen.

Und noch etwas sollten Finanzmanager:innen laut Michael Kuntz beachten – nämlich Kosten, die auf den ersten Blick relativ einfach zu reduzieren sind, aber negative Implikationen auf Moral oder Kultur im Unternehmen haben. „Das ist etwas, wo man je nach Situation des Unternehmens mit sehr viel Vorsicht und strategischem Denken rangehen muss.“. Wenn das Unternehmen kurz davor steht, vor eine Wand zu laufen, muss man aber natürlich auch deutlich drastischere Einschnitte erwägen.

Personalkosten sind ein großer Kostenblock, an dem erfahrungsgemäß schnell der Rotstift angesetzt wird. Welche Herausforderungen müssen sich Unternehmen dort gerade stellen und was gibt es für Lösungsansätze?

„Grundsätzlich ist es natürlich so, dass auch wir die Entlassungswelle wahrgenommen haben und es gibt einige Unternehmen, die trotz neuer Fundraising-Runden stark Personal abbauen. Das ist sicherlich eine Herausforderung. Bei Pitch ist das Thema Entlassungen und Reduzierung von laufendem Personal und Benefits wirklich ein letzter Ausweg ist, weil wir der Meinung sind, dass es einen vernichtenden Einfluss auf Moral und Kultur des Unternehmens hat. Dazu kommt noch, dass wir der Meinung sind, dass natürlich gut ausgebildete, loyale und produktive Mitarbeiter schwer zu finden sind – und sicherlich die Kosten von Personalakquise und erneutem Onboarding deutlich höher sind als die Einsparungen, die man dadurch zumindest kurzfristig gewinnen kann.“

Ob und wie man eine solche Entscheidung trifft, auch das hängt natürlich wieder von der Situation des jeweiligen Unternehmens ab. Wer gut finanziert ist, hat womöglich erst einmal andere Hebel, bevor man über Entlassungen nachdenken muss.

Kuntz’ Tipp: das Thema offen und klar darlegen und mit den HR-Manager:innen, aber auch dem Rest des Leadership-Teams den Hiring-Plan anschauen und überprüfen, welche Rollen derzeit offen und welche explizit unternehmenskritisch und essentiell für Wachstumspläne sind.

Wie beeinflussen die einzelnen Rollen die harten und soften Company-Ziele? 

Anschließend kann man entscheiden, ob es die Rolle zwingend benötigt oder nicht.

In diesem Punkt kontraproduktiv, aber nicht zu vernachlässigen, ist natürlich das Thema der Inflation. Hier ist es zum einen hilfreich darauf zu achten, dass man genug Puffer im Finanzmodell eingeplant hat. Zum anderen kann man die Chance nutzen, gemeinsam mit HR an einer mittelfristigen Compensation-Philosophie zu arbeiten. Wichtig ist, dass man einen objektiven Einblick erhält. „Dann kann man sich in dieser Hinsicht besser strukturieren, um sicherzustellen, dass man fair bezahlt, ohne einen Trend mitzugehen, der dann langfristig dazu führt, dass man einen noch größeren Druck auf Personalkosten und die Kostenstruktur allgemein aufbaut“, weiß Kuntz.

Neben den Personalkosten gibt es natürlich auch noch andere Kostenblöcke – wie geht man mit denen um bzw. wie analysiert man sie auf entsprechenden Handlungsbedarf?

Im ersten Schritt ist es natürlich wichtig, dass man saubere Prozesse und eine saubere Planung hat, um überhaupt Transparenz über seine Kosten zu erzeugen. Gerade in jungen Unternehmen werden Themen wie Vertragsmanagement erst einmal vernachlässigt. Krisenzeiten wie diese sind sicherlich ein guter Anlass, um entsprechende Tools und Strukturen für eine bessere Übersicht einzuführen – für diese Kosten kann man relativ schnell einen positiven Return-on-Invest einplanen.

Hat man eine gewisse Transparenz geschaffen, sollte man sich mit den jeweiligen Abteilungen abstimmen und sie von Anfang an mit ins Boot holen:

  • Wo sind die großen Kostenblöcke?
  • Welche sind unabdingbar, um entsprechende Wachstumsziele zu erreichen?
  • Welche sind eher langfristiger Natur (z.B. das Thema Branding kann erfahrungsgemäß zurückgeschraubt werden)?

Natürlich gibt es neben den einzelnen Kosten es auch noch andere Stellschrauben. Wo kann man im Tagesgeschäft und in den operativen Abläufen noch Änderungen vornehmen?

Was aus Unternehmenssicht eine schwierige Frage ist, zeigt sich aus Sicht der Finanzabteilung zwar als Herausforderung, aber auch als Chance: Es liegt ungewohnt viel Fokus auf dem Bereich, Finance rückt bereits in die Rolle des strategischen Businesspartners vor, von dem Vorschläge für die Verbesserung der Situation erwartet werden.

Dafür ist es unabdingbar, dass der Finanzbereich gut aufgestellt ist. Zum einen muss sichergestellt sein, dass die Prozesse stabil aufgestellt sind – wie ein sauberer Planungsprozess, aber auch enge Abstimmungszyklen mit den Bereichen zum Thema Forecasting. Dabei kann ein Tool helfen, das einen deutlichen Mehrwert schafft und je nach Komplexität des Planungsprozesses das Geld auch schnell wieder reinholt. Wer viele Rechnungen hat, kann diese ebenfalls über ein Tool wie finway abbilden, Transparenz schaffen und die Effizienz steigern – was wiederum einen direkten Impact auf die Bottomline hat.

Michael Kuntz empfiehlt darüber hinaus ein gutes Vertragsmanagement: Das Prüfen und Nachverhandeln von Verträgen kann in unsicheren Zeiten helfen, den Cashflow positiv zu beeinflussen.

Es wurde ja schon deutlich, dass der Finanzbereich gerade in solchen Situationen eine besondere Rolle spielt, auf die man sich für die angesprochenen Themen berufen muss. Welche Chancen ergeben sich dadurch, trotz Krisen, vielleicht auch für den Finanzbereich?

Michael Kuntz: „Neben all den Herausforderungen sind Krisenzeiten wie diese eine spannende Phase für den Finanzbereich. Noch oft wird die Finanzabteilung stiefmütterlich behandelt und steht eher als Mahner und Hüter des Cashs im Hintergrund. Das befindet sich meiner Meinung nach schon länger im Wandel, bekommt jetzt durch diese Phase aber einen Boost: Ohne eine starke Finanzabteilung ist es extrem schwierig, die Situation richtig zu verstehen, Transparenz zu erzeugen und dann aber auch die richtigen Handlungsoptionen abzuleiten und sicherzustellen, dass die Company die richtigen Entscheidungen trifft, um aus dieser Phase bestenfalls gestärkt rauszugehen.“

Das ist am Ende des Tages natürlich für alle Unternehmen das Ziel. Schon jetzt steht die Finanzabteilung in einem viel engeren Austausch mit der Geschäftsführung und wird als Sparringspartner eingesetzt. Das ist ein Indikator dafür, welchen Wert der Finanzbereich stiften kann und über kurz oder lang eben doch zum strategischen Businesspartner wird.

„Ich glaube wichtig dafür ist, dass man von Anfang an versucht, sehr proaktiv mit der Situation umzugehen, sehr transparent darüber zu kommunizieren, sehr eng mit den Bereichen im Austausch zu stehen. Und dann auch entsprechend versucht, ein sehr tiefes Verständnis für die Organisation zu bekommen: die Treiber des Geschäftsmodells zu verstehen, Marktlage aufzuzeigen, aber gleichzeitig mit Gelassenheit und fundiertem Wissen und sehr bestimmt in die Themen zu gehen. Diese komplizierte Situation ist aber längst keine Endzeitstimmung. A) ist noch Kapital im Markt und b) ist noch keine Wirtschaftskrise absehbar, das heißt es gibt auch noch sehr viele Möglichkeiten, wie ein Unternehmen wachsen und gut durch die Situation gehen kann“, sagt Kuntz.

In diesen Zeiten muss die Finanzabteilung insgesamt entsprechend vorangehen und diesen Prozess proaktiv unterstützen.

Das ganze Webinar mit Michael Kuntz können Sie sich hier noch einmal on-demand anschauen.

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